Test Mercedes-Benz O 302 (Omnibusrevue) Seite 8/10

Beim Anfahren und beim Schalten am Berg war uns aufgefallen, daß der Motor besonders im unteren Drehzahlbereich sehr viel Zugkraft entwickelt. Bei schneller Autobahnfahrt fällt aber auch auf, daß man mit diesem verhältnismäßig starken Motor ungemein zügig fahren kann und kaum zu schalten braucht. Nur langsam fällt an gestreckten Autobahnsteigungen die Drehzahl ab, und in den meisten Fällen kann man die Steigung im fünften Gang bewältigen. Ein anderer Vorzug des starken Motors OM 327 ist der, daß man bei zügiger Autobahnfahrt und 80 km/h stets in günstigen Verbrauchsbereichen fahren kann, also mindestens 10% unterhalb der Nenndrehzahl.

Durch die geringere Schaltnotwendigkeit ist trotz höherer Fahrdurchschnitte auch sparsamer zu fahren als mit dem kleineren Motor OM 352. Die Lenkung im O 302 ist eine Kugelmutter-Hydrolenkung, die wohl die leichtgängigste Lenkung ist, die es zur Zeit gibt. Mit ca. 4,7 Lenkradumdrehungen insgesamt ist sie mehr direkt als indirekt übersetzt und gestattet so ein zielgenaues und exaktes Fahren, das besonders auf kurvenreichen Strecken angenehm vermerkt wird. Die Richtungsstabilität ist ohne Tadel, und wenn man einmal den Bus in eine Wedelbewegung verreißen muß, stellen sich keine unerwarteten Nebeneffekte ein wie z. B. ein Übersteuern, das von Hand auszukorrigieren wäre. Diese Lenksicherheit wird zweifellos bewirkt durch die sorgfältig ausgearbeitete Führung beider Achsen. Eines nur ist an dieser Kugelmutter-Hydrolenkung nicht nach unserem Geschmack: Die Lenkkraft nimmt bei zunehmendem Lenkeinschlag kaum zu, was ungewöhnlich ist.
Durch den verhältnismäßig langen Pedalweg in der Kombination einer hydraulischen Zweikreisbremse mit Druckluftunterstützung ergibt sich eine Bremskraftcharakteristik, die ein feines Bremsen bis hinauf zu der von uns gemessenen Höchstverzögerung von 70% ermöglicht. Die links vom Fahrer gelegene Handbremse ist eine Ratschenbremse und erfordert ein mehrmaliges Nachholen, bringt dann aber auch beachtliche Verzögerungen, die wir im Mittel mit 34% feststellten. Die Motorbremse zeigt durchschnittliche Wirkung, und rein gefühlsmäßig – gemessen haben wir hier nicht – könnte sie etwas kräftiger wirken.

Die Sichtverhältnisse am Fahrerplatz sind beispielhaft: Große Außenspiegel gestatten eine einwandfreie Überwachung nach hinten, ein gut plazierter Innenspiegel hilft beim Rangieren. Die Sicht durch die große Frontscheibe wird auch bei starkem Regen durch großflächig reinigende Parallelscheibenwischer freigehalten.

Aber auch für den Komfort des Fahrers ist sehr viel getan, er hat gewissermaßen den besten Platz im Fahrzeug. Der gut profilierte Brendel-Sitz gibt sicheren Halt beim Fahren und läßt den Fahrer vollkommen schwingungsfrei sitzen. Zwei große Luftdüsen über dem Armaturenbrett an der Decke berieseln auf Wunsch den Fahrer mit großen Mengen Frischluft, so daß er es nicht nötig hat, das Seitenfenster zu öffnen.(tt)

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